Cuore Piccante: Chilifest in Rieti, Italien

Rund zehnmal waren wir auf dem Peperoncino-Fest in Diamante, Kalabrien. Dieses Jahr besuchten wir stattdessen einmal das viertägige Spektakel „Cuore Piccante“ („Pikantes Herz“) in Rieti etwas nördlich von Rom, das bereits im 5. Jahr stattfindet.

Rieti Cuore Piccante: Dolce Piccante Calabrese aus der Chili-Hochburg Kalabrien
Rieti Cuore Piccante: Dolce Piccante Calabrese aus der Chili-Hochburg Kalabrien

Die feurige Veranstaltung in der historischen Altstadt von Rieti ging dieses Jahr vom 27. bis zum 30. August. Die offizielle Eröffnung war um 17:00 Uhr, aber wir haben der Mittagshitze getrotzt und uns vorher schon ein wenig umgesehen – immerhin soll es über 100 Stände geben.

Uns fiel auf, dass trotz des Festes in Diamante nur zwei Wochen später viele Anbieter aus Kalabrien und Sizilien präsent waren. Das macht auf jeden Fall Sinn: Wie schon im vergangenen Jahr zählte man auch 2015 in nur vier Tagen 150.000 Besucher.

Rieti Cuore Piccante: Pflanzenanbieter überall
Rieti Cuore Piccante: Pflanzenanbieter überall

Dass die Termine so dicht beieinander liegen ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass eben um diese Zeit die meisten Chilis reif sind, und auf beiden Veranstaltungen werden jede Menge Pflanzen angeboten. Obwohl die Chilisaison damit schon fast vorbei ist, sind die gut bestückten Pflanzen im Topf hier ein echter Renner.

Feierliche Eröffnung

Zur Einstimmung zog die Marschkapelle “Città di Rieti” um die Stände, begleitet von den örtlichen Cheerleadern, den „New Diamonds Rieti Majorettes“.

Rieti Cuore Piccante: Blaskapelle und Cheerleader bei der feierlichen Eröffnung
Rieti Cuore Piccante: Blaskapelle und Cheerleader bei der feierlichen Eröffnung

Um 17:30 war es endlich soweit: Nach weiteren musikalischen Darbietungen und ausgedehnten Ansprachen diverser Persönlichkeiten war es dann soweit: Zur Eröffnung des Festes zerschnitt der Bürgermeister von Rieti (im Bild leider durch einen Security-Mitarbeiter verdeckt)  das Band in den italienischen Landesfarben, und öffnete damit gleichzeitig die Chili-Ausstellung für die Öffentlichkeit.

Rieti Cuore Piccante: Der Bürgermeister zerschneidet das Band zur feierlichen Eröffnung der Chili-Austellung
Rieti Cuore Piccante: Der Bürgermeister zerschneidet das Band zur feierlichen Eröffnung der Chili-Austellung

Natürlich trafen wir hier auch einen alten Bekannten…

Rieti Cuore Piccante: Renate mit seiner Majestät, "Il Re del Peperoncino", Gianni Pellegrino
Rieti Cuore Piccante: Renate mit seiner Majestät, „Il Re del Peperoncino“, Gianni Pellegrino

Ausstellung mit 200 Chili-Sorten

Die Chilischau hat bereits Tradition: Jedes Jahr werden 200 Sorten aus aller Welt präsentiert – Klassiker und neue Sorten. Die überdachten Gänge im Innenhof des Klosters San Agostino mitten im Altstadtzentrum bieten dafür einen repräsentativen Rahmen. Hier ein kleiner fotografischer Rundgang.

Im Folgenden verbirgt sich hinter einigen Bildern eine Diashow – einfach anklicken/antippen und per Maus/mit Wischgeste durchblättern…

Eindrücke von der Chili-Ausstellung im Rahmen der Cuore Piccante 2015

Mit der Ausstellung haben sich die Organisatoren viel Mühe gegeben – wie wertvoller Schmuck präsentieren sich die feurigen Früchte perfekt ausgeleuchtet hinter dicken Plexiglasscheiben, jeweils umfassend dokumentiert. Während Massimo Biagi zu ähnlichen Anlässen geichzeitig von hunderten Sorten frische Früchte  bereit hat, geht diese Schau auf Nummer Sicher: Viele Chilis wurden offenbar als frische Früchte gefriergetrocknet und mit einem dünnen Lack überzogen. Diese Konservierungstechnik durften wir andernorts schon einmal näher betrachten; sie ermöglicht verblüffende Ergebnisse. Ganz neue Sorten wurden frisch gezeigt.

In der Ausstellung trafen wir auch Enzo Monaco, Gründer und Vorsitzender der Accademia Italiana del Peperoncino. Seit 1992 – genau 500 Jahre nach Kolumbus Entdeckung der neuen (Chili-)Welt! – veranstaltet die Accademia jedes Jahr in Diamante das in seiner Art einzigartige Festival. Dass Enzo den Rieti-Event nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung der Chili-Szene sieht, zeigt seine Präsenz inklusive Vorträgen; außerdem ist die Accademia offizieller Partner von Cuore Piccante. Ebenfalls nicht fehlen durfte natürlich Gianni Pellegrino als seine chilige Majestät. Wir drei kenen uns bereits seit 2002; Anlass genug für ein Gruppenfoto…

Chili-Majestät Pellegrino mit seinen capsaicinoiden Untertanen Enzo Monaco und Harald Zoschke
Chili-Majestät Pellegrino mit seinen capsaicinoiden Untertanen Enzo Monaco und Harald Zoschke
Rieti Cuore Piccante: Seine Majestät unterwegs in den passenden Schuhen
Rieti Cuore Piccante: Seine Majestät unterwegs in den passenden Schuhen

Nach dem Rundgang durch die bemerkenswerte Chili-Ausstellung gehts nun quer durch die Altstadt zu den diversen Anbietern pikanter und schmackhafter Dinge aller Art.

Kleiner Tipp für Cuore-Piccante-Besucher in den kommenden Jahren: Am besten parkt man im Parkhaus  Piazza Mazzini, direkt unter der Stadtmauer. Kurze Wege, um erstandene Spezialitäten immer mal im Auto abzuladen.

Rundgang durch die scharfen Stände

Wichtiger Anlaufpunkt war für uns natürlich bei Ca‘ d’Alfieri aus der Region Parma. Viele Jahre haben Maurizio und Luisa für den 2001 von uns gegründeten Pepperworld Hot Shop Hot Sauces, Chilikonfitüren  und andere verschärfte Spezialitäten hergestellt; seit Mitte 2011 tun sie dies für unsere Nachfolger vom Pepperpark. Über die Jahre ist aus der Geschäftsverbindung auch eine nette Freundschaft erwachsen; letztes Jahr haben wir zudem gemeinsam an der italienischen Version unseres Buches CHILI BARBECUE gearbeitet, das hier in Italien „Barbecue Piccante“ heißt.

Am Stand von Ca‘ d’Alfieri aus der Provinz Parma

Und natürlich haben die beiden auch ihr eigenes Produktsortiment, das seit kurzem auch sehr interessante Barbecue-Soßen enthält, zum Teil basierend auf Rezepturen aus unserem Buch. Maurizio hat zudem den Ehrgeiz, extrem scharfe Pürees in kleinen Gläsern zu produzieren – Namen wie „Fine del Mondo“ (Ende der Welt) und „The Day After“ sprechen für sich. Auch bei den frischen angebotenen Chilis sorgen Carolina Reaper, Moruga Scorpion und und andere Superhots für reichlich Feuer.

Am Stand von Ca‘ d’Alfieri hatten wir uns auch mit Roberto Viola verabredet, den Betreiber der italienischen Chili-Website Mondopeperoncino.  Es ist immer wieder erfreulich, wenn man Leute, die man bisher nur aus sozialen Netzwerken kannte, persönlich kennenlernt, und sie sich als sehr nett herausstellen.

F: Woran erkennt man einen echten Chilihead?

A: Daran, dass er sich die Formel der Chili-Schärfesubstanz Capsaicin auf seinen Arm tätowieren lässt, so wie Roberto!

Echte Leidenschaft: Capsaicin-Formel bei unserem Chilifreund Roberto als Tatoo immer dabei
Echte Leidenschaft: Capsaicin-Formel bei unserem Chilifreund Roberto als Tatoo immer dabei

Viele Jahre intensiver Zuammenarbeit verbinden uns auch mit I Magnifici del Mezzogiorno. Für alle, die erst neu dabei sind: „uns“ bedeutet Renate und Harald (also meinereiner), die Gründer von Pepperworld.com (1997) und dem Pepperworld Hot Shop. Nach unserer Rückkehr aus den USA Ende 2000 starteten wir als Suncoast Peppers GmbH damit den  ersten Online-Hotshop im deutschsprachigen Raum; Giuseppe und Pietro bauten im sonnigen Kalabrien für uns Chilis an, produzierten ebenfalls viele Produkte speziell für uns, und hatten auch eigene tolle Produkte im Sortiment, von denen viele in unserem Hot Shop landeten.

Am Stand von I Magnifici del Mezzogiorno

Dann freuten wir uns, Rita Salvadori alias Peperita wieder zu treffen. Die smarte Produzentin liegt mit ihren innovativen Ideen voll auf unserer Wellenlänge.  Wie auch Magnifici hat sie bereits verschiedene Produkte Bio-zertifiziert. Wie wir seinerzeit experimentiert auch Rita bei Soßen gerne mit der gezielten Kombination verschiedener Chilisorten. Sie geht dabei von ihrer Beobachtung aus, dass verschiedene Sorten unterschiedlichliche Bereiche auf der Zunge ansprechen (die individuelle Zusammensetzung der Capsaicinoide dürfte dabei eine Rolle spielen). Die Chinense-Komposition „77“ hat es bereits in sich und bietet ein tolles Aroma.

Am Stand von Peperita aus der Toskana

Vor Ideen wie dem kleinen Notfall-Etui kann man einfach nur den Hut ziehen, besonders wenn die Erfinderin obendrein so sympathisch ist.

Zwischendurch mal ein paar Impressionen von Rietis Altstadt…

Doch nun zurück zu den Anbietern verschärfter Waren.

Ein alter Bekannter ist auch die Firma Dolci Pensieri di Calabria. Highlight jedes Kalabrien-Besuchs waren die Entwicklungs-Sessions in Dolcis Schoko-Labor. Hier entwickelten wir ungewöhnliche Leckereien für unseren damaligen Shop, zum Beispiel Orangenpralinen mit Habanero und Ingwer und „Feurige Feigen“, in Schokolade gehüllt, gefüllt mit einer gerösteten Mandel und dunkler Habanero-Schokocreme. Bei den Experimenten kam eigentlich immer was Tolles raus.

Rieti Cuore Piccante: Neu bei Dolci Pensieri di Calabria - pikante Pralinen mit Rum-Habanero-Füllung
Rieti Cuore Piccante: Neu bei Dolci Pensieri di Calabria – pikante Pralinen mit Rum-Habanero-Füllung

Eine tolle Neuheit hatten die Brüder Franco und Antonio Rao ersonnen: Pralinen aus dunkler Schokolade, gefüllt mit einer Ganache mit Rum und Habanero! Sowas von lecker – wegen der Hitze hatte ich nur eine Packung mitgenommen. Big mistake. Ich hoffe, dass unsere Nachfolger die Pralinen zum Winter ins Sortiment nehmen. Die Dolci-Leute taten uns ein wenig leid – die brutale Sommerhitze in Rieti war echt nicht der Freund von Schoko-Anbietern.

Längst nicht alle Stände boten Chili-Waren an… es gibt ja auch noch andere leckere Spezialitäten. In den waldigen Bergen des Umlands gibts viele Wildschweine – kein Wunder also, dass auch Wildschweinsalami angeboten wurde. Sehr schmackhaft, und bevor jetzt jemand die Nase rümpft: Diese Schweine wachsen wenigstens anständig und mit gutem Futter auf.

Käse- und Wildschweinspezialitäten aus der Region. Das Schild am Kopf sagt "Meine Schwiegermutter"...
Käse- und Wildschweinspezialitäten aus der Region.

Das Schild am Wildschweinkopf sagt „Meine Schwiegermutter“ –  da hatte ich irgendwie mehr Glück gehabt als dieser Standbetreiber. ;-)

Bier mit und ohne Chili

Des einen Freud, des anderen Leid: Auf dem Curore Piccante Fest waren diverse kleine Brauerein vertreten, die ihre handwerklich gefertigten Bier-Spezialitäten (auf neudeutsch craft beer, auf italienisch birra artigianale) anboten. Harald in Heaven!

Bei der Hitze hoch willkommen: Bierstände kleiner Brauereien

Äußerst lecker war das Bier mit Rocoto sowie jenes mit Habanero. Bei beiden waren die Chilis so dosiert, dass sie eine erfrischende Note hinzufügten, ohne das sorgfältig komponierte flaschenfermentierte  Bieraroma zu überpowern. Anders als diverse viel zu scharfe Chili-Biere trinkt man diese gerne jederzeit wieder. Vom Habbi-Bier gingen ein paar Flaschen für den nächsten Grillabend mit.  Eine unglaubliche Neuheit entdeckten wir im edlen Eis- und Schoko-Laden Napoleone: Der sympatische Inhaber hat streichbares Bier erfunden! Habs probiert und von der Dark-Beer-Variante ein Glas gekauft. Hintergedanke: Das Zeug müsste sich perfekt zum Glasieren von Schweinefilets eignen…

Für den kleinen Hunger

Trotz des vielen Probierens an den Ständen meldete sich irgendwann der Magen. Einige lokale Restaurants boten laut Veranstalter auch ein spezielles „Menu Piccante“ an – leider waren diese nicht einmal die Einheimischen bekannt, die wir fragten, auch Hinweisschilder fanden wir keine. Aber es gab an diversen Ständen genug leckeres „Street Food“. Wir entschieden uns für einen Stand aus den Abruzzen, an dem es knusprige Bruschetta und kleine über Holzkohle gegrillte Lammfleisch-Spieße gab. Dazu gabs ungewöhnlicherweise Bier von der Ganter-Brauerei aus Freiburg im Breisgau. Alles sehr lecker.

Kleiner Snack…

Besonders an den Abenden wurde es richtig betriebsam. Zum einen war es nicht mehr so heiß, zum anderen hatten viele Berufstätige jetzt erst Zeit.

Rieti Cuore Piccante: Abends ohne die knallige Sonne machte das Probieren und Kaufen noch mehr Spaß
Rieti Cuore Piccante: Abends ohne die knallige Sonne machte das Probieren und Kaufen noch mehr Spaß

Und natürlich Pflanzen, Pflanzen, Pflanzen

Trotz aller Stände mit Soßen, Pürees, Käse, Wurst und Schinken: Das Bild der Altstadt von Rieti wurde dieser Tage von den Chili-Pflanzen geprägt, die allesamt voll mit reifen bunten Früchten hingen. Auch wenn die Saison sich dem Ende zuneigt – Besucher schleppten taschenweise Pflanzen ins Parkhaus.

Chilipflanzen waren auch Ende August heiß begehrt

Renner waren die Superhots wie Carolina Reaper, Habanero-Varianten und die diversen Bhut-/Naga-Incarnationen. Ob damit auch gekkocht wird? Unsere Freundin und Italienisch-Lehrerin Maria Grazia nimmt Reaper-Chilis aus  unserem Garten für Spaghetti Aglio, Olio e Peperoncino. Kommt ja auch auf die Dosis an…

Mit unserem eigenen Chiligarten (ca. 150 Pflanzen) hatten wir allerdings keinen Bedarf an weiteren Pflanzen… vielmehr stellt sich wie jedes Jahr die Frage, wohin mit den ganzen Chilis.

Wieder daheim

In zwei Etappen sind wir zurück nach Bardolino – übernachtet hatten wir in Cascia, auf der Fährte der wilden Roveja-Erbsen. Aber das wird eine andere Geschichte.

Auch Cuore Piccante ist jetzt Geschichte, aber anhand der mitgebrachten scharfen Sachen lebt das Fest noch ein wenig weiter.

Rieti Cuore Piccante: Pfiffiges Notfall-Etui von Peperita
Rieti Cuore Piccante: Pfiffiges Notfall-Etui von Peperita

Peperitas geniales Unterwegs-Notfall-Etui mit 10 gemahlenen Chilis von mild bis wild kommt mit einem informativen Miniposter und einem Trichter zum Nachfüllen (aus ihren größeren Röhrengläsern).

Rieti Cuore Piccante: Kleine Auswahl pikanter Neuheiten
Rieti Cuore Piccante: Kleine Auswahl pikanter Neuheiten

Ganz links Peperitas peppige Chinense-Soße, daneben drei feurige Pürees von Ca‘ d’Alfieri: Naga Mustard, Rocoto und 7Pod – mit Joghurt gemischt sehr fein für die Tandoori Wings aus unserem Buch!  Dann die ‚Nduja in der Tube – mit der chililastigen weichen Salami macht man in Kalabrien schnell und lecker Penne all’Arrabiata – wir jetzt auch. Dann das Habanero-Bier von Iris, in der Flasche fermentiert. Kann ich bis zum nächsten Grillen warten? Und die leckeren Schoko-Habanero-Rum-Pralinen… die sind allerdings inzwischen auch Geschichte…

Das wars – erstmal…

Das wars also erstmal. Fürs nächste Jahr stellt sich die Frage: Wieder nach Diamante? Oder Rieti? Wir haben ja noch ein paar Monate Zeit! 8-)

––Harald & Renate

Das Leben ist zu kurz für fades Essen.

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